Präsentation des Jahresberichts 2014
Arbeitslosenzentrum erfreut sich starker Nachfrage
Bei der Präsentation des Jahresberichts 2014 für das Gladbacher Arbeitslosenzentrum (ALZ) hat Vorstandssprecher Karl Boland insbesondere an OB Hans-Wilhelm Reiners (CDU) appelliert, „sich der politischen Mitverantwortung für die nach wie vor vielen Arbeitslosen in unserer Stadt nicht zu entziehen“. Auffallend im Jahresfazit mit Zahlen, Fakten und Angeboten ist laut dessen langjährigen Leiter Karl Sasserath die Tatsache, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Gladbach entgegen dem bundesweiten Trend weiter gestiegen ist. Erschreckend sei auch, dass in einigen Gladbacher Stadtteilen mittlerweile jedes 2. Kind von Hartz IV lebe. Sasserath: „Ein Hinweis darauf, dass sich Menschen in prekären Lebenslagen in bestimmten städtischen Sozialräumen polarisieren.“
Nach wie vor befindet sich das ALZ in einem Überlebenskampf. Reiners und mit ihm die Stadtratsmehrheit aus CDU und SPD haben nämlich erklärt, dass das Zentrum aus dem zentralen Standort Lüpertzender Straße 69 ausziehen soll. Eine räumliche Alternative haben sie – aus welchen Gründen auch immer – bislang nicht offiziell genannt. Viele Menschen, Gruppen und Organisationen haben sich zwar solidarisch erklärt und Reiners aufgefordert, das ALZ nicht länger zappeln zu lassen und es „aus gutem Grund“ an der Lüpertzender Straße zu belassen. Doch der unverantwortliche Schwebezustand sorgt für Frust und Ungewissheit – nicht nur bei den Besuchern und beim ALZ Vorstand, sondern vor allem bei den Beschäftigten.
Briefe formulieren gehört dazu
Und die haben auch 2014 viel geleistet. Das seit über 30 Jahren bestehende, zu einem beträchtlichen Anteil aus Spendengeldern finanzierte Zentrum wird verstärkt auch von Migranten aufgesucht. „Zu uns kommen Menschen aus 64 verschiedenen Herkunftsländern“, informiert Sasserath. Entweder persönlich oder telefonisch – die vom Diplom-Sozialpädagogen Julian Strzalla angebotene psychosoziale Betreuung zählte knapp 2000 Beratungskontakte, darunter mehr als die Hälfte Frauen. Viel zu oft, berichtet Strzalla, addierten sich die Probleme der „Kunden“: kein Job, geringes Einkommen, Scheidung, Krankheit, Isolierung, sozialer Absturz. Strzalla versucht, den Menschen Perspektive und Halt zu geben.
Beispiel: Welche Chancen habe ich auf Arbeit und Beschäftigung. Manchmal sind es die Kleinigkeiten, die den Betroffenen helfen. So erlebt Strzalla nicht selten, dass Menschen große Probleme damit haben, Anträge auszufüllen bzw. Briefe zu formulieren. Und der junge Mann hilft, auch wenn das manchmal viel Zeit kostet. Und andere Hilfesuchende warten müssen. Gladbachs Volkshochschule geht nach eigenen Untersuchungen davon aus, dass in Gladbach rund 26 000 Personen von einer Lese- und Rechtschreibschwäche betroffen sind; darunter viele Analphabeten. An der Finanzierung dieses Arbeitsbereichs beteiligt sich die Stadt Mönchengladbach über einen Leistungsvertrag zu 75 Prozent.
625 Frauen kamen zur Beratung
Mit ähnlichen Problemen und Fragestellungen kommen Jugendliche und Erwachsene zur Erwerbslosenberatungsstelle im ALZ. Hier ist Karl Sasserath Ansprechpartner – und gibt viele Tipps und Hinweise, von denen 2014 genau 1135 Personen profitierten. Auch hier überwog der Frauenanteil. 625 „Kunden“ waren weiblich, 510 männlich. Daneben leitet Sasserath die Einrichtung mit insgesamt acht Beschäftigten ( 4 Frauen/ 4 Männer ). Das Urteil und Wissen des Einrichtungsleiters wird medial immer wieder lokal und regional nachgefragt. Seine Stelle wird im Wesentlichen aus Mitteln des Sozialfonds der Europäischen Union und des Landes NRW getragen. Nahezu unverändert war das Interesse an „Bewerbungshilfe“. Es ist kostenlos und unkompliziert. 310 Personen ließen sich dabei von Rudi Fischer helfen, ihre eigene Visitenkarte für Jobbewerbungen am PC zu erstellen. Obwohl mit Hilfe dieses Unterstützungsangebots auch immer wieder die Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt gelingt, muss der Verein dieses erfolgreiche Angebot ausschließlich aus Spenden finanzieren. In Düsseldorf wird ein solches Angebot durch das Jobcenter finanziert.
Mittagstisch macht Viele satt
Erst vor wenigen Wochen hat das Düsseldorfer Arbeitsministerium das Gladbacher ALZ gelobt und als vorbildlich eingestuft. So sei das Dreisäulenmodell „Beratung, Begegnung, Mittagstisch“ der Gladbacher effizient wie erfolgreich. Neben u.a. kontrovers-lebhaften Diskussionen im Aufenthaltsbereich wurden 2014 täglich „51,83“ Menüs aus der eigenen kleinen Küche ausgegeben. Wer wenig hat, zahlt 2 Euro, sonst sind es 3,50 Euro. Für Kinder bis zu 6 Jahren sind ein Euro fällig. Regelmäßig ernähren sich hier auch ältere Gladbacher aus dem näheren Umfeld des ALZ. Ihr Anteil, die Sasserath als arme alte Fabrikarbeiter bezeichnet, nimmt weiter zu. Oft haben sie nur kleine Renten und leben allein. Im ALZ essen sie preiswert – und treffen sich mit Anderen zum Klönen. Der Küchenbetrieb wird ausschließlich über Spenden finanziert. Die Josef und Hilde Wilberz Stiftung, die Diergardt Stiftung und der Solidaritätsfonds des Bistums Aachen bestreiten dabei den „Löwenanteil“. Der Vereinsvorstand und das Team sind dankbar für diese Gelder – ohne sie bliebe der Herd kalt. Fast 11 000 Essen wurden vom kleinen Team um Küchenchefin Ella Heiniz ausgegeben – 7090 an Männer, 3899 an Frauen. Sieht man sich die Altersstruktur dieser „Besuchskontakte“ an, dann überwiegt der Anteil der über 50-Jährigen (7019 Personen). 25 bis 49 Jahre: 3828.
Ganz wesentlich zum Gelingen im Berichtszeitraum trug Irene Fischer bei. Als Verwaltungskraft ist sie neben vielem anderem im „ALZ“ für das Ausstellen der sogenannten Treffkarte zum Mittagstisch zuständig ist.
Aus- und Umbau bleiben ein Thema
Trotz der akuten Zukunftssorgen – gerade mit Blick auf den ungewissen Standort – halten Vorstand und Leitung des ALZ an den schon länger ausgearbeiteten Aus- und Umbau-Plänen im ALZ fest, betont Vorstandssprecher Karl Boland. Gerade im Bereich Barrierefreiheit bzw. zweiter Fluchtweg müsse einiges getan werden, sagt er. Hilfreich sei hier ein Erbbaurechtsvertrag zwischen Hauseigentümer Stadt und dem ALZ-Trägerverein. Konkret: Der Verein hätte ein sehr langfristiges Nutzungsrecht und könnte mit Sponsoren den Umbau starten. Die Stadt lehnt bisher einen solchen Vertrag ab. Sasserath erinnert daran, dass bisherige Umbauten und Sanierungen im ALZ-Gebäude in all den Jahren mit Spendengeldern bezahlt wurden. Zwar zahle das Zentrum keine Miete an die Stadt. Da die Kommune lediglich 40 Prozent der gesamten jährlichen ALZ-Kosten übernehme, leiste das Stadtmitte-Zentrum „für die Stadt eine ausgesprochen preisgünstige soziale Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger.“ Und das soll so bleiben.
Mehr Infos: www.arbeitslosenzentrum-mg.de
Fragen zum Jahresbericht 2014: info@arbeitslosenzentrum-mg.de










