Jochen klenner zu Gast im Arbeitslosenzentrum
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Jochen Klenner, der junge CDU-Landtagsabgeordnete, nahm sich viel Zeit. Mehrere Stunden informierte er sich über die aktuelle Situation im Gladbacher Arbeitslosenzentrum (ALZ), das zunehmend zur „Integrationsagentur“ wird. Und Klenner hörte sich mit großem Interesse die aktuellen „Kundenzahlen“ an.
Der 38-Jährige kam nach der Landtagswahl zum Antrittsbesuch ins ALZ an der Lüpertzender Straße 69. Gesprächspartner für das Zentrum waren Karl Boland und Helmut Hönig vom Vorstand des Trägervereins sowie der langjährige Leiter der gefragten Einrichtung, Karl Sasserath. Klenner war ein aufmerksamer Zuhörer, er signalisierte „viel Verständnis“, verbindliche Aus- oder Zusagen kamen von ihm nicht. Beispiel Raum- und Standort-Frage: Hier haben Leitung und Vorstand bereits Einiges unternommen.
Doch Zusagen seitens der Politik, geschweige denn der Stadtverwaltung, beispielsweise zur Übernahme etwa von Umzugs- und Einrichtungskosten gab es bislang nicht. Die leidige Raumfrage verunsichere Sponsoren und belaste die engagierten Mitarbeiter des ALZ. Klenner dazu: Hier bitte ich um Verständnis, aber für all das ist die Kommune zuständig – Stadtrat und OB Hans-Wilhelm Reiners (CDU).
Wie wichtig das Zentrum im Quartier ist, machte Sasserath mit Zahlen aus dem vergangenen Jahr deutlich. Aktuellere lägen derzeit nicht vor.
Angebot Bewerbunghilfe: Das niederschwellige Angebot unterstützte unbürokratisch 367 Ratsuchende bei der Zusammenstellung von Lebensläufen, Bewerbungsschreiben usw. Viele der Arbeitsuchenden besitzen aus Geldmangel keinen Computer – und kommen ins ALZ-Haus. Die Hilfe ist kostenlos, weil die Sparkasse das Angebot fördert, öffentliche Gelder gibt es nicht.
Angebot Mittagstisch: Täglich werden knapp 50 Essen – 2016 rund 10 000 – ausgegeben. Das preiswerte, wie frisch gekochte Menü, von dem sich auch Klenner überzeugte, ist wesentlicher Bestandteil des Begegnungsangebotes im ALZ, das wöchentlich mindestens 30 Stunden frei zugänglich ist. Auffallend: Immer häufiger kommen Langzeitarbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen und ältere Menschen, die wenig Geld haben. Die Mittagszeit ist für sie die Gelegenheit zum Kontakt mit Anderen.
Angebot Erwerbslosen- und Sozialberatung: Mit 2016 knapp 2700 Kontakten (persönlich, telefonisch, per Internet) bleibt die Nachfrage hoch. Die vielfältige Hilfe nutzten allein 1463 Frauen. Mit den 2700 „Fällen“ nehmen die beiden Mitarbeiter des ALZ einen Spitzenplatz unter den Gladbacher Beratungseinrichtungen ein, betonte Sasserath, einer der Hilfeleistenden. Er wies auch darauf hin, dass Gladbach mit über 40 000 Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, einen traurigen Spitzenplatz in NRW einnehme. Erschreckend auch: Jedes 3. Kind unter 15 Jahren wächst in Gladbach in einem „Hartz-IV-Haushalt“ auf.
Dass das ALZ immer häufiger als eine „nicht anerkannte Integrationsagentur“ erscheint, macht ein Blick in die Flure deutlich. Hier trifft man Afghanen, Syrer, Iraker, Iraner oder Kongolsen – Flüchtlinge, die als Asylsuchende anerkannt sind, die subsidiären Schutz genießen oder die auf Grund der Situation in ihrem Herkunftsland nicht ausreisen müssen. Diese Gruppe sucht in der Stadtmitte-Einrichtung Rat und Hilfe ebenso wie EU-Ausländer (Polen, Griechen, Bulgaren usw.). Letztere sind im Zuge der Freizügigkeit innerhalb der EU nach Gladbach gekommen, arbeiten auf dem Bau oder in Güdderather Logistik-Betrieben. Und haben Fragen, weil sie entlassen wurden, die Miete nicht mehr zahlen können und/oder ihre Familie nicht mehr ausreichend versorgt werden kann. ALZ-Sozialarbeiter Julian Strzalla: „Diese Beratung ist angesichts der Fallkonstellation anspruchsvoll, kompliziert und zeitaufwändig.“
Hinzu kommt ein weiteres Phänomen, das die Arbeit im ALZ deutlich ansteigen lässt: Die beiden Amtsgerichte Rheydt und Stadtmitte gehen vermehrt den „preiswerten Weg“. Statt den Betroffenen zur endgültigen Klärung eines Streits etwa bei der Sozialhilfe einen Beratungsschein zu geben, verweisen sie auf die Hilfeleistung im Zentrum. Das wiederum erhält trotz der klärenden Hilfe keinen finanziellen Ausgleich. Solche Scheine bekommen mittellose Personen; sie gehen damit zu einem Rechtsanwalt, der im Falle einer Verhandlung mit dem jeweiligen Gericht abrechnet.
Boland wie Sasserath forderten in der Runde „mehr Angebote zur Integration von Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung“; dazu gehöre ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt. Klenner kommentierte die Forderung nicht; der gelernte Journalist (Radio 90.1) gehört im Landtag dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales an.
Apropos Gesundheit: Das ALZ war mit beteiligt an der Gründung eines kommunalen Arbeitskreises (Gesundheitskonferenz MG), der sich mit der Wechselwirkung von Arbeitslosigkeit und Gesundheit befasst und „Handlungsempfehlungen“ formulieren will. Ein 66-Jähriger, der regelmäßig im ALZ isst, formuliert es aus seiner Sicht: „Kein Job, obwohl du dich darum bemühst, kein Geld, keine Teilhabe, du wirst zum Nichts. Und das macht dich krank und kaputt.“






