Artikel

Tipps

Ihr Engagement macht unsere Arbeit möglich - und die wiederum macht viele unserer bedürftigen Menschen glücklich. Hier können Sie spenden: Stadtsparkasse MG, IBAN DE06 3105 0000 0000 0484 05

Aktuelle Stellenangebote

Hier finden Sie aktuelle Stellenangebote mehr>

Unsere Info-Flyer
als Download

Angebote, Tipps, Kontaktadressen und Öffnungszeiten auf einen Blick bietet der Info-Flyer, den es bei uns als gedrucktes Exemplar und hier als Download gibt.

Info Flyer ALZ MG

Hilfe bei der Jobsuche

Hier finden Sie hilfreiche Links zu Firmen / Arbeitgebern. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihren Aktivitäten. mehr>

Ruth Buchanan EIN GARTEN MIT BRÜCKEN (Wirbelsäule, Magen, Kehle, Ohr)
Ein Projekt für die Neuen Auftraggeber von Mönchengladbach

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 10-17 Uhr

Die Stadt Mönchengladbach fördert Projektbereiche des Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach e.V.

 

Der Kreuzweg für Gerechtigkeit endet eindrucksvoll im Arbeitslosenzentrum

Der „Kreuzweg für Gerechtigkeit“ mit rund 60 TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen Gruppen trug diesmal die Überschrift „Armut hat viele Gesichter“. Und die akustisch eher stille, aber symbolisch laut nach Gerechtigkeit für alle schreiende Demo durch die Innenstadt mit insgesamt fünf Stationen endete erneut in unserem Arbeitslosenzentrum (ALZ) in Stadtmitte. Hier erfrischten sich die Gäste bei Getränken und Häppchen, hier diskutierten sie eifrig – vor allem über sozial-bewegende Themen. Die Fotos von ALZ-Mitarbeiter Georg Beer spiegeln das lebhaft wider.

ALZ-Leiter Karl Sasserath kritisierte in seiner Begrüßung, dass zwar „öffentlich Berge von Bildern produziert werden, aber die von Armen sieht man da nicht“.

Wie formulierte es Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper: „…Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht, und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht….“

Ökumenische Veranstaltungen wie der „Kreuzweg“ gäben den vielen Armen in unserer Stadt und in unserer Republik „ein Gesicht“. Gerade in der Corona-Zeit hätten besonders arme Menschen gelitten, „weil viele der Nischen, die ihnen Schutz und Unterstützung gewährten, geschlossen blieben“. Sasserath: „Arme Menschen gehören zu den Verletzlichsten in unserer Gesellschaft. Ich erinnere mich an den Lkw-Fahrer, einen Vater von fünf Kindern, der am Virus, den er sich auf einem Dixie-Klo an der Autobahn gefangen hatte, verstarb. Das Schicksal der Einkommensschwachen und Armen blieb während der Corona-Pandemie politisch und öffentlich durchweg unsichtbar. Die Zivilgesellschaft und ihre Institutionen waren es, die halfen, die Gabenzäune zu bestücken.“

Sasserath erinnerte an „die vielen Kriege in unserer Welt“ und vor allem an den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit seinen auch hier so erschütternden Folgen. „Weil Armut viele Gesichter hat, dürfen wir nicht schweigen“, so Sasserath. Man dürfe folglich vor unserer Haustür nicht zulassen, wenn die Gesichter der Armut ignoriert würden. Konkret: Kinder aus armen Familien gingen bei der Vergabe von Kitaplätzen oft leer aus. Tausende Familien hätten keine bezahlbare Wohnung. „Wir können unseren Frieden nicht mit einer Politik machen, die auf der einen Seite immer mehr Unternehmen im unteren Lohnsegment ansiedelt, gleichzeitig aber die Bedürfnisse der Menschen, die in diesen Firmen arbeiten, ignoriert.“

Sasserath appellierte, die vielen Gesichter der Armut wahrzunehmen und gegen die vielen Ungerechtigkeiten dauerhaft die Stimme zu erheben. Als Beispiele nennt er: Verbesserung der Einkommen, größeres Angebot bezahlbaren Wohnraums, gesundheitliche Versorgung für alle, bezahlbare Energie. Und den Erhalt von Einrichtungen und Orten, wo arme Menschen Unterstützung finden. Bezogen auf Gladbach: Die Politik müsse sich für die Lebenslage aller Menschen verantwortlich zeigen und dementsprechend handeln. Und: „Wenn wir der Armut nicht nur ein Gesicht geben wollen, sondern auch an den Strukturen und den Bedingungen, die Armut fördern, etwas verändern wollen, dann lasst uns gemeinsam daran arbeiten, Mönchengladbach ,in eine Stadt für alle‘ zu verwandeln“, so Sasserath.

Dietmar Jung, evangelischer Pastor und Vorstandsmitglied im ALZ, lud während der Veranstaltung in seinem Beitrag zu kurzer Meditation und zum Gebet.

Text: Herbert Baumann
Fotos: Georg Beer

Hier die Rede von Karl Sasserath.

Liebe Teilnehmenden am Kreuzweg für Gerechtigkeit.

Mein Name ist Karl Sasserath. Ich leite das Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach. Im Namen von Vorstand und Team möchte ich alle TeilnehmerInnen am Ökumenischen Kreuzweg für Gerechtigkeit hier im  Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach an der letzten Station des Kreuzwegs für Gerechtigkeit, der hier seinen Abschluss findet, willkommen heißen. 

Bevor nach mir Dietmar Jung mit einer Lesung und Kurzmeditation zu Matth. 25, 31 ff. und einem Gebet den Kreuzweg beenden wird, möchte ich zuerst einige wenige organisatorische Hinweise geben:
Toiletten befinden sich in der 1. Etage des Hauses. Für den Abschluss und das gemeinsame Zusammensein haben wir im Foyer des Hauses rechts und links zwei Theken aufgebaut. Dort bewirtet Sie unser Team im Anschluss mit Brot, Wasser und Wein. Die aufgebauten Sitzplätze sind besonders für die älteren Teilnehmer*innen und Teilnehmer des Kreuzwegs gedacht. Im Haus stehen Ihnen ausreichend Sitzplätze in der 1. Etage im Bereich des Mittagstisches und im Begegnungsbereich unserer Einrichtung zu Verfügung. Sollten die Plätze nicht ausreichen, finden Sie weitere Plätze in der 2.Etage. Fühlen Sie sich im Arbeitslosenzentrum wie in einer Herberge eingeladen.

Der diesjährige Kreuzweg für Gerechtigkeit steht unter der Überschrift: „ARMUT HAT VIELE GESICHTER“. Das trifft sich mit unserer Arbeit. Denn im Begegnungsbereich, beim Mittagstisch oder in der Sozialberatung begegnet Armut uns alltäglich in sehr vielfältigen Formen.

Wenn wir unsere Erfahrungen mit den politischen und öffentlichen Diskussionen vergleichen, dann stimmt weiterhin, was der große deutsche Dichter Bert Brecht, dessen 125. Geburtstag sich vor kurzem jährte, für die Dreigroschenoper so gedichtet hat:

„…Denn die einen sind im Dunkeln
und die andern sind im Licht
und man siehet die im Lichte
die im Dunkeln sieht man nicht….“

In einer Zeit, die wie keine zuvor täglich Berge neuer Bilder produziert, bleiben die Armen unsichtbar. Denn Armut verstört und steht im Widerspruch zur Welt der Schönen und Reichen. Deshalb ist es gut, wenn der heutige Ökumenische Kreuzweg für Gerechtigkeit unter der Losung steht: „Armut hat viele Gesichter“.

In Deutschland wurde der erste Fall einer Corona-Infektion am 27. Januar 2020 offiziell bestätigt. Das ist vor über drei Jahren gewesen. Unter der Corona-Pandemie haben besonders arme Menschen gelitten, weil viele der Nischen, die ihnen Schutz und Unterstützung gewährten, geschlossen blieben. Arme Menschen gehören zu den Verletzlichsten in unserer Gesellschaft. Ich erinnere mich an den LKW-Fahrer, einen Vater von fünf Kindern, der am Virus, den er sich auf einem Dixie-Clo auf der Autobahn gefangen hatte, verstarb. Das Schicksal der Einkommensschwachen und Armen blieb während der Corona-Pandemie politisch und öffentlich durchweg unsichtbar. Die Zivilgesellschaft und ihre Institutionen waren es, die halfen, die Gabenzäune zu bestücken.

Als sei die Corona-Pandemie nicht genug, begann am 24. Februar 2022 der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der bis heute anhält und neben dem vielen Leid und der Zerstörung Millionen Menschen aus der Ukraine vielfach Frauen, Kinder und alte Menschen zwang, ihre Heimat zu verlassen. Millionen von Menschen mussten schon vorher in Folge des syrischen Bürgerkrieges, des Krieges in Somalia, dem Jemen, in Afghanistan, im Irak oder in Eritrea fliehen. Wir wissen darüber hier im Arbeitslosenzentrum sehr gut Bescheid, weil viele dieser Menschen und ihre Schicksale uns in unserer Beratung immer wieder begegnen. Deshalb wissen wir, wie es sich anfühlt, wenn es über Monate hinweg sehr schwer ist, einen Termin bei der Ausländerbehörde zu bekommen. Obwohl viele unserer Ratsuchenden auf gültige Duldungen oder Fiktionsbescheinigungen elementar angewiesen sind, um einer Arbeit nachzugehen oder Wohngeld, Kindergeld oder Grundsicherung zu erhalten. Gerade in einer Zeit, in der die Lebenshaltungskosten in Folge einer anhaltenden Inflation stark steigen, sind die Menschen auf funktionierende Sozialstrukturen und bedarfsdeckende Transfereinkommen angewiesen.

Apropos Klimawandel: Viele Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, die Arme Menschen den kleinsten ökologischen Fußabdruck haben. Der Beitrag armer Menschen am CO-2 Ausstoß ist global am Geringsten. Trotzdem zahlen sie im Verhältnis zu ihrem Einkommen, prozentual den höchsten Beitrag für Energie.

Wenn Armut viele Gesichter hat, dann dürfen solche Fakten und Strukturen nicht unerwähnt bleiben. Dazu dürfen wir nicht schweigen. Genauso wenig wie zu den vielen Menschen, die weil sie vor Krieg und Klimawandel, Armut und Vertreibung flüchten, die im Mittelmeer an unseren Grenzen vielfach auf Flucht ertrinken, weil Europa hierauf keine gemeinsame Antwort findet. Auch vor diesem Gesicht der Armut dürfen wir nicht schweigen.

Wir dürfen aber auch vor unserer Haustür nicht zulassen, wenn die Gesichter der Armut ignoriert werden. Wenn insbesondere Kinder aus den Familien armer Menschen bei der Vergabe von Kitaplätzen oft leer ausgehen. Wir dürfen nicht davor schweigen, wenn in unserer Stadt Tausende von bezahlbaren Wohnungen fehlen, - und deshalb immer mehr Familien in zu teuren oder beengten Wohnungen leben müssen, oder Menschen wohnungslos sind. Wir können es auch nicht akzeptieren, wenn gleichzeitig zahlreiche neue Wohnungen und Eigenheime in der Stadt entstehen, die aber von den zahlreichen Menschen im Niedriglohnsegment der Stadt weder erworben noch bezahlt werden können, weil ihnen dafür schlichtweg das Geld fehlt. Wir können unseren Frieden nicht mit einer Politik machen, die auf der einen Seite immer mehr Unternehmen im unteren Lohnsegment ansiedelt, gleichzeitig aber die Bedürfnisse der Menschen, die in diesen Firmen arbeiten, ignoriert.

Wenn wir die vielen Gesichter, in denen sich heute Armut zeigt, erkennen wollen, dann müssen wir genau hinschauen. Dann müssen wir beispielweise an die entlegenen Orte an den Rändern unserer Stadt fahren. Zu Amazon in Rheindahlen oder in der Regiopark bei Güdderath hinter Odenkirchen. Dort können wir uns mit der Lebenslage, derjenigen auseinandersetzen, die als LKW-Fahrer die unablässigen Warenströme für Amazon, Zalando, DHL, Espirit, adidas und all die anderen Logistiker dieser Welt durch Europa transportieren und die oftmals für ihre Arbeit von ihren Arbeitgebern nicht den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Dazu müssen wir uns nur mit der Lebenslage der LKW-Fahrenden aus Nordmazedonien, Polen, Usbekistan, Ukraine, Rumänien oder Kirgisien auseinandersetzen. Dazu müssen wir deren monatelanges Fahren am Stück (3 oder 4 Monate) und deren Gefühl, den schlechtesten Job zu haben, zur Kenntnis nehmen. Dann sollten wir uns auch mit der Lebenslage, der vielen arbeitenden Menschen, die in der Fleischbranche, auf dem Bau, der Landwirtschaft, dem Reinigungsgewerbe, der Gastronomie oder in Nagelstudios anzutreffen sind, auseinandersetzen. Menschen, die oft eine Migrationsgeschichte haben. Und wir müssen unsere Stimme dagegen erheben, wenn Arbeiter in der Fleischindustrie im Dreischichtsystem nach einer Beschäftigungszeit von 28 Jahren nur eine Altersrente in Höhe von 491,50 netto monatlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Das ist beschämend und, es sollte uns beschämen.

Wir müssen, die vielen Gesichter der Armut, in denen sie sich in unserer Gesellschaft präsentiert, wahrnehmen. Und wir müssen wir müssen gegen die Ungerechtigkeit dauerhaft unsere Stimme erheben.

Wenn wir nicht zulassen wollen, dass die vielen Gesichter der Armut nicht unsichtbar bleiben, dann müssen wir neben der Verbesserung der Einkommen, der Verbesserung des Angebotes von bezahlbaren Wohnraum, einer gesundheitlichen Versorgung für alle, bezahlbarer Energie auch die Einrichtung und den Erhalt von Orten fordern, wo arme Menschen Unterstützung finden. Dann dürfen wir es nicht zulassen, wenn die Armen und ihre Bedürfnisse immer weiter von den Tagesordnungen der Politik verschwinden. Dann müssen wir uns gegen „dieses unsichtbar machen der Gesichter der Armut“ wehren. Dann müssen wir besonders auch von der Kommunalpolitik in Mönchengladbach fordern, dass die Lebenslage der vielen Menschen, die nach Mönchengladbach kommen, weil sie den Versprechen der Logistik glauben hier eine dauerhafte Arbeit zu finden, die ihnen und ihren Familien eine menschenwürdige Existenz und ihren Kindern eine Zukunft gibt, einen ständigen Platz auf der politischen Agenda dieser Stadt erhalten.

Wenn wir der Armut nicht nur ein Gesicht geben wollen, sondern auch an den Strukturen und den Bedingungen, die Armut fördern, etwas verändern wollen, dann lasst uns gemeinsam daran arbeiten, Mönchengladbach „in eine Stadt für alle“ zu verwandeln.

Ich wünsche allen eine gute Osterwoche und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Veranstaltergemeinschaft:
Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach, GDG Rheydt- West, Kfd- Katholische Frauengemeinschaft Deutschland, SKM - Katholischer Verein für soziale Dienste in Rheydt e.V., Volksverein Mönchengladbach, Treff am Kapellchen, Bezirksverband Mönchengladbach Rheydt- Korschenbroich im Bund der historischen deutschen Schützenbruderschaften, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, Katholikenrat Mönchengladbach, Katholische Pfarre St. Vitus, Ökumene Ausschuss Stadtmitte (Pfarrei St. Vitus, Pfarrei St. Michael Holt, Ev. Christuskirchengemeinde, EV. Friedenskirchengemeinde).

Fotos: Georg Beer