Können sie mir helfen?
Immer häufiger erscheinen Personen im Arbeitslosenzentrum – sie kommen mit dem neuen „Online-Angebot“ von Agentur für Arbeit und Jobcenter nicht klar
Die Agentur für Arbeit hat’s geändert, das Jobcenter wird es zum 1. November machen: Beide stell(t)en den Mail-Verkehr mit ihren KundInnen ein. Die gravierende Veränderung bereitet vielen AntragstellerInnen große Schwierigkeiten, berichtet Karl Sasserath, Leiter des Gladbacher Arbeitslosenzentrums, ALZ. Sein Stellvertreter Julian Strzalla ergänzt: „Mit den Online-Angeboten kommen zahlreiche Menschen nicht zurecht, da sie weder über die erforderlichen Kenntnisse bzw. sprachlichen Fähigkeiten verfügen, noch geeignete bzw. veraltete, nicht kompatible Endgeräte (Laptop, Smartphone, Scanner etc.) besitzen.“
Im ALZ an der Lüpertzender Straße 67 erscheinen folglich immer häufiger Personen, die die Berater bitten: „Können sie mir helfen“. Gemeint: Mithilfe einer App muss ein Online-Code beantragt werden; nur der ermöglicht den jeweiligen Zugang zu den Online-Angeboten. Sasserath berichtet, dass während der Corona-Pandemie Behörden wie die Agentur für Arbeit und die Jobcenter für Ratsuchende die persönliche Kontakte zu Leistungsberechtigten im Lockdown weitgehend eingestellt hätten. Nach dem Ende der Pandemie ist in vielen öffentliche Einrichtungen eine „Kultur der Abschottung“ gegenüber persönlichen Kontakten zu Ratsuchenden zurückgeblieben.
Die Umstellung macht den Bezug von Bürgergeld und Arbeitslosengeld I nicht nur komplizierter, die Vorgehensweise werde behördenseitig auch nicht genutzt, Menschen in Notlagen schneller zu helfen. Durch die Digitalisierung haben sich die Anforderungen und der zeitliche Aufwand für die Antragstellung noch einmal deutlich gesteigert.
Sowohl Agentur als auch Jobcenter verweisen „auf das Erfordernis des Schutzes persönlicher Daten“. Sasserath und Strzalla kritisieren, dass der Datenschutz im Bereich der Gewährung sozialer Leistungen viele Klärungsprozesse enorm verzögere. So werde der Verweis auf die Bestimmungen des Datenschutzes oft von Ratsuchenden als Hürde empfunden. Man müsse auch annehmen, dass so nicht funktionierende öffentliche Infrastrukturen sozialer Leistungsträger kaschiert werden.
Ob der Antrag auf Arbeitslosengeld, Terminabsprachen, Bürgergeld – alles geht nicht mehr per Mail. Zur Registrierung für die Online-Angebote vergeben Agentur wie Jobcenter persönliche Online-Codes. Damit wird das jeweilige Benutzer-Konto erstellt. Die Anmeldung, so ALZ-Berater Strzalla, zum Benutzerkonto erfolgt nach der Erst-Registrierung zunächst mit Benutzername/E-Mail-Adresse und selbst gewähltem Passwort.
Strzalla und Sasserath berichten aus dem ALZ-Alltag: „In unserer Beratung wird auch immer wieder die Erfahrung gemacht, dass die Herausgabe von Antragsformularen in Papierform verweigert und auf die Nutzung der Online-Angebote verwiesen wird, dies auch in Fällen, in welchen Ratsuchende gegenüber explizit darauf hinweisen, dass sie nicht über die erforderlichen Fähigkeiten oder Sprachkenntnisse hierfür verfügen.“
Experte Strzalla sagt, dass „nunmehr mehrere sozialrechtliche Gebote verletzt“ würden. Eines seiner Beispiele aus dem Sozialgesetzbuch I: „Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.“
Alles klar?






