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Soziale Unleichheit und Corona: Begründeter Mehrbedarf an FFP2 Masken in Zeiten der Pandemie

Wegen "unabweisbaren Hygienebedarfs" muss das Jobcenter einem Hilfeempfänger ausreichend FFP2-Masken zur Verfügung stellen. Das hat das Sozialgericht Karlsruhe in einem Eilverfahren zu einem Einzelfall entschieden. "Was das Sozialgericht zur Nutzung von OP- und Alltagsmasken betont, ist besonders bemerkenswert", sagen dazu Justine Krause und Karl Sasserath vom Gladbacher Arbeitslosenzentrum, ALZ.
Denn das Urteil (S 12 AS 213/21 ER) ist immer nur eine so genannte Einzelfallentscheidung. Das bedeutet für Bedürftige: Jede und jeder muss den eigenen Anspruch selbst geltend machen, in der Hoffnung, dass sich auch andere Sozialgerichte der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Karlsruhe anschließen.
Dem Antrag des Hartz-IV-Empfängers aus Baden-Württemberg entsprach das Sozialgericht am 11. Februar. Der Mann hatte den unabweisbaren Hygienebedarf an FFP2-Masken geltend gemacht. Diese sollte ihm das Jobcenter zur Verfügung stellen oder ihm zusätzlich 129 Euro monatlich überweisen.
Nur FFP2-Masken entsprechen dem Grundrecht auf soziale Teilhabe, so das Gericht. Der Hilfeempfänger benötige insgesamt 20 FFP2-Masken pro Woche, entschied das Sozialgericht. Diesen Anspruch habe er glaubhaft gemacht. Ohne Mund-Nasenbedeckungen dieses Standards seien EmpfängerInnen von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben, in unverhältnismäßiger Weise beschränkt, erklärte das Gericht weiter.
Krause und Sasserath erklärten dazu: "FFP2-Masken schützen besser vor Ansteckung als OP-Masken. Aber sie sind teurer. Für Erwerbslose und Aufstocker ist deshalb ein Zuschuss zu den monatlichen Regelsätzen notwendig. Das Sozialgericht in Karlsruhe hat zu diesem Thema ein sehr gutes Urteil gesprochen."
Zusammen e.V. aus Frankfurt am Main hat sich mit dem Thema detaillierte auseinander gesetzte und einen Artikel zur Argumentationsstruktur der Behörde geschrieben, hier werden die relevantesten Argumente entkräftet.
ALG II Bezieher*innen können den Mehrbedarf beim Jobcenter anfragen. Wird dieser abgelehnt, sollte Widerspruch eingelegt werden und zeitgleich an Antrag beim Sozialgericht gestellt werden. Dazu hat Zusammen e.V. ein Muster zur Begründung des Antrages entworfen, dass zur Argumentation vor dem Sozialgericht verwendet werden kann.
Wer Hilfe bei dem Antrag braucht, kann sich bei Justine Krause im ALZ melden (02161 / 912647).
Die Notwendigkeit coronabedingter höherer Bedarfssätze für Leistungsempfänger des Jobcenters ist mittlerweile auch durch die Tatsache belegt worden, dass Menschen, die in prekären Sozialverhältnissen leben, öfter von Covid 19-Infektionen und -erkrankungen betroffen sind, als sozial bessergestellte Menschen. Das hat u.a. viel damit zu tun, dass ärmere Menschen beengter wohnen müssen und Jobs haben mit zahlreicheren Kontakten. Entsprechende Recherchen in Köln und Düsseldorf auf der Basis von Daten aus den Gesundheitsämtern zur räumlichen Verteilung der Covid 19-Fälle im Stadtgebiet haben das gezeigt. Damit sich diese Menschen besser gegen Infektionen schützen können, ist eine zusätzliche Unterstützung für die Bereitstellung von FFP2-Masken sicherlich notwendig.





